In Deutschland herrscht ein Pflegenotstand –  darin sind sich Experten, Politik und Medien einig. Die neue Bundesregierung spricht in ihrem Koalitionsvertrag von einem Pflege-Sofortprogramm, das 8.000 neue Stellen für Fachkräfte schaffen soll. Die Reaktionen von Verbänden, Stiftungen und Krankenhäusern darauf waren eher verhalten. Vielerseits wurde von einem Tropfen auf den heißen Stein gesprochen.

Betrachtet man den Arbeitsmarkt, so fällt auf: Es fehlt nicht an Fachkraftstellen. Vielmehr kommt der Pflegenotstand durch eine sehr große Zahl an unbesetzten Stellen zustande. Ihnen steht eine viel geringere Zahl an Jobinteressenten gegenüber. Krankenhäuser, Pflegeheime und staatliche Einrichtungen setzen dabei vermehrt auf qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, wie Berichte im Spiegel und in anderen Medien verdeutlichen. Bereits der Fachkräftereport der letzten Bundesregierung unterstreicht die Bedeutung dieses Themas und auch  Gesundheitsminister Jens Spahn spricht diesen Ansatz in einem aktuellen Interview an.

Welche Bedeutung haben ausländische Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt? Ist Zuwanderung eine Lösung für den Pflegenotstand? Die aktuellsten verfügbaren Daten der OECD stammen aus dem Jahr 2015, ebenso wie die Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes. In unseren Analysen knüpfen wir hier an und untersuchen die Entwicklungen seit 2015 bis heute. Dabei nutzen wir die Daten der Jobsuchmaschine Indeed. Mit Indeed-Daten können wir in Echtzeit beobachten, wie sich Stellenausschreibungen und Suchanfragen nach Jobs im Pflegebereich entwickeln.

Die wichtigsten Ergebnisse der Analysen:

  • Die Nachfrage nach Pflegekräften ist seit 2015 um 48,6 % gestiegen. Die Suchanfragen nach Jobs im Pflegebereich haben im selben Zeitraum nur um 12,8 % zugenommen.
  • Ausländische Jobinteressenten kommen hauptsächlich aus Österreich, Bosnien und Herzegowina sowie der Schweiz.
  • Der Anteil von Suchanfragen aus dem Ausland nach Pflegejobs in Deutschland ist in den letzten Jahren gestiegen, hat aber weiterhin nur eine geringe Bedeutung.
Pflegekräfte sind gefragt – Interesse an Pflegejobs ist jedoch zu gering

Die Zahl der Stellenausschreibungen im Pflegebereich steigt, im Verhältnis zu allen Stellenausschreibungen auf Indeed.de, kontinuierlich an. In 2017 war die durchschnittliche Zahl der offenen Positionen um fast die Hälfte höher (48,6 %) als noch im Jahr 2015. Der größte Teil des Anstiegs fand innerhalb der letzten 18 Monate statt.

Das Interesse von Jobsuchenden an Jobs im Pflegebereich ist im Vergleich kaum angestiegen: Auch wenn insbesondere seit Mitte 2017 ein Anstieg der Suchen nach Pflegejobs um 17,0 % zu beobachten ist, fällt das Interesse der Jobsuchenden damit dennoch zu niedrig aus, um die gleichzeitig steigende Nachfrage nach Pflegekräften zu decken.

Zahl der Stellenausschreibungen im Pflegebereich nehmen weiter zu

Die Kurve zeigt die Entwicklung der Zahl der Stellenausschreibungen im Pflegebereich von Januar 2015 bis Februar 2018 je 1 Million Stellenausschreibungen. Von 22.000 im Jahr 2015 entwickelt sich die Kurve stetig nach oben. Sie erreicht Mitte 2017 einen Höhepunkt bei circa 35.000. Obwohl sie Ende 2017 noch einmal auf circa 33.000 abknickt, bleibt sie bis Anfang 2018 relativ kontinuierlich auf diesem Niveau.

Suchen nach Jobs im Pflegebereich steigen nur schwach an

Die Kurve zeigt die Suchanfragen nach Jobs im Pflegebereich von Januar 2015 bis Februar 2018. Es ist erkennbar, dass die Kurve seit 2015 von 9.000 gleichmäßig ansteigt und Anfang 2018 bei circa 10.000 liegt.

Wohin geht die Reise? Derzeitige und zukünftige ausländische Pflegekräfte in Deutschland

Laut den aktuellsten OECD-Daten aus dem Jahr 2015 haben derzeit 7,2 % der in Deutschland arbeitenden Pflegekräfte ihre Ausbildung im Ausland absolviert. Im Jahr 2012 waren es 6,1 % der Pflegekräfte. Die im Jahr 2015 in Deutschland tätigen ausländischen Pflegekräfte haben ihre Ausbildung am häufigsten in Polen (21,5 %) und Russland (10,8 %) absolviert. Pflegekräfte, die im Jahr 2015 zum Arbeiten neu nach Deutschland gekommen sind, stammen insbesondere aus sechs Herkunftsländern: Rumänien (23,9 %), Polen (10,2 %), Italien (8,2 %), Ungarn (7,0 %), Bosnien und Herzegowina (6,7 %), Spanien (6,5 %).

Die Daten der OECD stammen aus dem Mikrozensus. Im Mikrozensus werden nur Personen befragt, die auch in Deutschland leben. Das bedeutet, Grenzgänger aus den Nachbarländern werden nicht erfasst. Außerdem ist zu vermuten, dass ausländische Pflegekräfte, die in privater Anstellung in der häuslichen Pflege tätig sind, im Mikrozensus selten erfasst werden. Dass Grenzgänger für den deutschen Arbeitsmarkt nicht zu unterschätzen sind, zeigen die abweichenden Ergebnisse der Suchanfragen nach Pflegejobs auf Indeed.de. Gerade Jobsuchende aus Österreich und der Schweiz interessieren sich für Pflegejobs in Deutschland. Die Daten der OECD haben bereits im Jahr 2015 gezeigt, dass Bosnien und Herzegowina zu den Top-Herkunftsländern ausländischer Pflegekräfte in Deutschland zählt. Analysen der aktuellen Indeed-Daten aus dem Jahr 2017 verdeutlichen, dass sich dieser Trend fortsetzt: Nach dem Spitzenreiter Österreich kommen die häufigsten ausländischen Suchanfragen nach deutschen Pflegejobs aus Bosnien und Herzegowina. Auch Serbien ist unter den Top-5-Ländern, aus denen in Deutschland nach Pflegejobs gesucht wird.  

In Österreich und Bosnien und Herzegowina suchen die meisten Pflegekräfte nach Jobs in Deutschland

Die Tabelle zeigt den prozentualen Anteil an allen Suchen nach Jobs als Pflegekraft aus dem Ausland im Jahr 2017. Österreich liegt mit 15,9% ganz vorne, gefolgt von Bosnien und Herzegowina mit 11,9%. Die Schweiz liegt mit 9,8% auf Platz 3, gefolgt von Serbien mit 6,1% und Polen mit 4,9%.

Der Anteil der ausländischen Suchanfragen nach Pflegejobs in Deutschland ist in den letzten Jahren angestiegen. Dennoch bleibt die Bedeutung niedrig, da weiterhin die meisten Suchen aus dem Inland kommen. Was bedeutet dies nun für den Pflegenotstand in Deutschland?

Laut OECD lag der Anteil der ausländischen Pflegekräfte in Deutschland im Jahr 2015 bei 7,2 %. Damit ist das deutsche Gesundheitssystem weiterhin auf in Deutschland ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Da im Ausland das Interesse an Pflegejobs in Deutschland steigt, wird der Anteil an ausländischen Pflegekräften vermutlich weiterhin zunehmen. Um dem Pflegenotstand wirksam entgegenzutreten, müsste das Interesse von ausländischen Fachkräften an Pflegejobs in Deutschland viel stärker wachsen, als es derzeit der Fall ist.

Englischsprachige Stellenausschreibungen könnten ausländischen Jobinteressenten die Suche erleichtern – hiervon wird bisher im Pflegebereich nur selten Gebrauch gemacht wird. Unsere Analysen haben darüber hinaus verdeutlicht, dass Suchanfragen aus dem Ausland nach deutschen Pflegejobs vermehrt aus Ländern kommen, die (noch) keine Mitglieder der EU sind, wie Bosnien und Herzegowina oder Serbien. Ein vereinfachter Eintritt dieser Fachkräfte aus nicht EU-Mitgliedsstaaten in den deutschen Arbeitsmarkt könnte weitere Pflegekräfte aus dem Ausland mobilisieren.

Das Interesse von ausländischen Jobsuchenden an Pflegejobs in Deutschland steigt

Hier wird der prozentuale Anteil an Suchen aus dem Ausland an allen Suchen nach Pflegejobs gezeigt. 2015 waren es noch 3,4%. 2016 sind es schon 4,1% und 2017 bereits 4,4%.

Wie attraktiv Deutschland nicht nur für Pflegekräfte, sondern insgesamt für ausländische Arbeitskräfte ist, haben wir bereits in einem früheren Beitrag untersucht.  


Methodik

Die Analysen basieren auf Stellenausschreibungen für Pflegekräfte sowie auf Suchen nach diesen Jobs für die Zeit von Januar 2015 bis Februar 2018. Als Jobs im Pflegebereich bezeichnen wir Berufe in der Gesundheits- und Krankenpflege, Fachkinderpflege, Fachkinderkrankenpflege, in der operations-/medizintechnischen Assistenz und in der Altenpflege.