Arbeiten, wann und wo man möchte – für die wenigsten Arbeitnehmer in Europa sieht so der Arbeitsalltag aus. Dennoch hat mit der Digitalisierung auch ein Wandel der Arbeitswelt eingesetzt. Dass für Arbeitnehmer in den letzten Jahren eine gute Work-Life-Balance wichtiger geworden ist, zeigen vor allem die Diskussionen um die Generation Y oder auch die Millenials: Karriere, aber nicht um jeden Preis. Gerade für Eltern ist ein hohes Maß an Flexibilität wichtig, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, wie zum Beispiel ein neues Discussion Paper des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt.

Welche Möglichkeiten bietet der Arbeitsmarkt für eine bessere Work-Life-Balance und flexible Arbeitsmodelle? Um diese Frage zu beantworten, haben wir Stellenausschreibungen auf Indeed aus elf europäischen Ländern miteinander verglichen. Wir haben untersucht, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sich für Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice in den verschiedenen Ländern finden lassen. Es zeigt sich, dass der Anteil der Stellenausschreibungen, die Work-Life-Balance und Co bewerben, weniger ein Indikator dafür ist, wo Arbeitnehmer in Europa tatsächlich flexible Arbeitsbedingungen vorfinden. Vielmehr scheint sie ein Ausdruck unterschiedlicher Arbeitskulturen und Mentalitäten von Unternehmen zu sein, die auch durch verschiedene makroökonomische Entwicklungen beeinflusst werden.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:

  • Europaweit ein ähnliches Bild: Jobinteressenten müssen bei der Jobsuche lange nach Stellenausschreibungen suchen, in denen Work-Life-Balance, flexible Arbeitsmodelle oder Homeoffice hervorgehoben werden.
  • Länderspezifische Unterschiede: Flexible Arbeitsbedingungen in Stellenanzeigen finden sich am häufigsten in Österreich (9,9 %), gefolgt von Deutschland (8,3 %). Die Schlusslichter des Rankings bilden Frankreich (0,7 %) und Italien (0,4 %).
  • Deutschland: Wenn Unternehmen flexible Arbeitsmodelle in ihren Stellenanzeigen kommunizieren, dann am häufigsten flexible Arbeitszeiten (66,5 %) gefolgt von Work-Life-Balance (29,3 %). Homeoffice wird am seltensten angeboten (17,5 %).
Flexible Arbeitsmodelle als Benefit in Stellenanzeigen

Unsere Analyse der Stellenausschreibungen auf Indeed in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Spanien und der Schweiz verdeutlichen: Jobinteressierte in Europa finden nur schwer Arbeitgeber, die in ihren Stellenausschreibungen eine Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, von zuhause zu arbeiten, anbieten. Während Arbeitnehmer zunehmend die Bedeutung flexibler Arbeitsmodelle betonen, bewerben in allen betrachteten Ländern weniger als 10 % aller Stellenausschreibungen flexible Arbeitsbedingungen. Österreich hat mit 9,9 % den höchsten Anteil, gefolgt von Deutschland mit 8,3 % der Stellenausschreibungen. Arbeitgeber in Frankreich (0,7 %) und Italien (0,4 %) verweisen am seltensten auf Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice in ihren Stellenausschreibungen. Ein genauerer Blick auf Indeed-Stellenausschreibungen in Deutschland verdeutlicht, dass Arbeitgeber am häufigsten flexible Arbeitszeiten (66,5 %) anbieten, gefolgt von Work-Life-Balance (29,3 %). Eine immer noch weit verbreitete Präsenzkultur in deutschen Büros dürfte dafür verantwortlich sein, dass Homeoffice (17,5 %) im Vergleich am seltensten genannt wird.

Jobs auf Indeed mit flexiblen Arbeitsmodellen
Die Tabelle zeigt den prozentualen Anteil an allen Stellenausschreibungen seit Anfang Mai 2018 für zehn Länder. Österreich liegt mit 9,9% an erster Stelle, dicht gefolgt von Deutschland mit 8,3%. Großbritannien mit 4,6%, die Niederlande mit 3,9%, Spanien mit 3,8% und Irland mit 3,2% belegen die Plätze drei bis sechs. An siebter und achter Stelle stehen Luxemburg und die Schweiz mit 2,8% sowie Belgien mit 2,5%, Frankreich mit 0,7% und Italien mit 0,4% bilden das Schlusslicht.

Diese Ergebnisse werfen zwei Fragen auf: Erstens, warum ist der Anteil an Stellenausschreibungen, in denen Unternehmen ihre Arbeitsbedingungen als flexibel beschreiben, so gering? Zweitens, warum gibt es so große Unterschiede zwischen den Ländern? Um diese Fragen zu beantworten, betrachten wir im Folgenden Deutschland und Frankreich – jeweils ein Land aus dem oberen und ein Land aus dem unteren Bereich unseres Rankings.

Deutschland und Frankreich im Vergleich: Der erste Eindruck täuscht

Warum gibt es so wenige Stellenausschreibungen, die Work-Life-Balance und Co bewerben? Daten des European Working Conditions Survey 2015 zeigen, dass in Deutschland 13 % der Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten komplett frei bestimmen können, während weitere 20 % zumindest in gewissen Teilen ihre Arbeitszeit anpassen können. In Frankreich können ähnlich viele Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten völlig frei bestimmen (14 %) und weitere 24 % haben zumindest einen gewissen Spielraum. Homeoffice ist in beiden Ländern weniger verbreitet als flexible Arbeitszeiten. In Frankreich (Frauen: 19,3 %, Männer: 16,6 %) arbeiten allerdings mehr als doppelt so viele Arbeitnehmer mindestens einmal im Monat von zuhause als in Deutschland (Frauen: 6,9 %, Männer: 8,3 %).  

Die Daten verdeutlichen: Die geringe Zahl der Stellenausschreibungen, die Work-Life-Balance und Co bewerben, liegt nicht daran, dass in Europa Arbeitnehmer völlig unflexibel in ihren Arbeitszeiten sind. Es scheint vielmehr, dass Arbeitgeber das flexible Arbeiten in ihren Stellenausschreibungen zwar nicht als Benefit bewerben, dies dennoch vielerorts im Arbeitsalltag gelebt wird. Fraglich ist, ob es sich dabei um eine Strategie handelt, da nicht beworbene Benefits auch nicht verbindlich angeboten werden müssen. Oder ob Arbeitgeber bisher verschlafen haben, Jobsuchende auf flexible Arbeitsbedingungen hinzuweisen. Denkbar wäre darüber hinaus auch, dass Arbeitgeber flexible Arbeitsmodelle bisher nicht als Benefit ansehen und deshalb nicht in die Stellenbeschreibungen aufnehmen. Eine Arbeitskultur des flexiblen Wann und Wo, wie etwa bei Unternehmen im Silicon Valley, muss in Europa, gerade in traditionellen Unternehmen, erst noch Einzug halten. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass es für gewisse Berufsgruppen und Branchen keine Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeit oder des Arbeitens von zuhause gibt, da sie an feste Ladenöffnungszeiten, Schichtarbeit oder 24h-Stunden-Verfügbarkeit, wie im Krankenhaus, gebunden sind.

Makroökonomische Faktoren bieten eine mögliche weitere Begründung, die einerseits das insgesamt niedrige Niveau erklärt und andererseits Hinweise darauf gibt, warum es so große Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland gibt. Der deutsche und französische Arbeitsmarkt sehen sich derzeit mit unterschiedlichen makroökonomischen Entwicklungen konfrontiert. In Deutschland ist die Arbeitslosenquote sehr niedrig, in einer Reihe von Regionen, Industrien und Positionen herrscht sogar ein Arbeitskräftemangel. Dementsprechend sehen sich Arbeitgeber einem Markt gegenüber, in dem um Mitarbeiter geworben werden muss. Benefits wie Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten oder auch Homeoffice machen ein Unternehmen attraktiver für Bewerber. Demgegenüber ist Frankreich mit einer höheren Arbeitslosenquote, insbesondere unter jungen Erwachsenen, konfrontiert. Dadurch konkurrieren Arbeitgeber weniger um Mitarbeiter. Gleichzeitig gibt es in Frankreich Bestrebungen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und in diesem Kontext wird die 35-Stunden-Woche als Hindernis gesehen.

Teilzeitbeschäftigung für mehr Flexibilität

Wir haben uns in den Analysen auf Stellenausschreibungen im Allgemeinen konzentriert. Darüber hinaus bietet die Anpassung der wöchentlichen Arbeitsstunden eine weitere Möglichkeit, um eine gute Work-Life-Balance und Flexibilität im Arbeitsleben zu schaffen, was insbesondere von Müttern genutzt wird. Eurostat-Daten zeigen, dass sich die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten innerhalb Europas kaum unterscheidet. Dahingegen gibt es sehr große Unterschiede im Anteil der Teilzeitbeschäftigung: Die Niederlande, die Schweiz und Deutschland gehören zu den europäischen Ländern mit den höchsten Anteilen an Teilzeitbeschäftigung. Eine frühere Indeed-Analyse hat gezeigt, dass in Deutschland dennoch nur sehr wenige Stellen in Teilzeit ausgeschrieben werden. Jobsharing – zwei oder mehr Teilzeitstellen, die sich eine Vollzeitstelle teilen – zeigt sich in Stellenausschreibungen auf Indeed bisher kaum.

Fazit

Unsere Analysen zeigen, dass das europaweit niedrige Niveau an Stellenausschreibungen kein Indikator dafür sein muss, wie flexibel Arbeitnehmer tatsächlich ihren Arbeitsalltag gestalten können. Arbeitgeber scheinen Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice oft schlichtweg einfach nicht zu bewerben, obwohl dies im Unternehmen gelebt wird. Bestehende Unterschiede zwischen den Ländern sind ein Ausdruck unterschiedlicher Arbeitskulturen und Mentalitäten von Unternehmen, die auch durch verschiedene makroökonomische Entwicklungen beeinflusst werden. Das mag auch den Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich erklären: Im Gegensatz zu Frankreich hadert Deutschland in vielen Bereichen mit einem Arbeitskräftemangel und Unternehmen bewerben ihre flexiblen Arbeitsmodelle, um attraktiver für Jobinteressenten zu werden.


Methodik

Die Jobbörse Indeed ist in über 60 Ländern verfügbar. Unsere Analysen konzentrieren sich auf Indeed-Stellenausschreibungen Anfang Mai 2018 in den 11 europäischen Ländern Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien (umfasst das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland), Italien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Spanien und der Schweiz. Für diesen Beitrag relevante Stellenausschreibungen auf Indeed müssen mindestens einen Begriff enthalten, der entweder mit Work-Life-Balance, flexiblen Arbeitszeiten oder Homeoffice verbunden wird. Im Deutschen fallen dabei Begriffe wie Gleitzeit in die Gruppe der flexiblen Arbeitszeiten. Dabei beziehen wir für jedes Land Begriffe in der jeweiligen Landessprache sowie Englisch ein. In Ländern wie Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz, wo es mehrere amtliche Landessprachen gibt oder darüber hinaus auch Stellenausschreibungen in weiteren Sprachen geläufig sind, beziehen wir Begriffe in diesen Sprachen in unsere Analysen ein.

Unabhängig davon, ob und wie Unternehmen in Stellenausschreibungen Arbeitsmodelle beschreiben, mag der Arbeitsalltag anders aussehen. Dennoch nehmen wir in unseren Analysen an, dass das Nennen von Work-Life-Balance oder ähnlichen Stichworten ein starker Indikator dafür ist, dass Jobinteressenten diese Arbeitsbedingungen später nach einer Anstellung auch tatsächlich vorfinden können.