Die Arbeitsmärkte der EU-Staaten sind durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit theoretisch eng miteinander verknüpft. Zusätzliche Abkommen mit Ländern wie der Schweiz oder Norwegen haben dazu geführt, dass die Arbeitsmärkte weiter zusammenrücken. Sprachbarrieren sind natürlich vorhanden und bestehen vor allem in Berufen, wo die Landessprache zwingend ist. Darüber hinaus unterscheiden sich die Arbeitsmärkte der einzelnen Länder in vielerlei Hinsicht. Es beginnt bei unterschiedlichen Regulierungen wie zum Beispiel für Urlaubstage, Kündigungsfristen oder Mindestlohn und zieht sich durch die gelebte Arbeitskultur: Sehr unterschiedlich sind zum Beispiel die Frauenerwerbstätigenquote, die Teilzeitquote, die wöchentliche Arbeitszeit, der Anteil befristeter Beschäftigungen oder die Flexibilität von Arbeitsstunden oder Arbeitsort durch Homeoffice.
Wenn sich die Arbeitsmärkte so stark unterscheiden, wie sieht es dann mit der Jobsuche aus? Die Jobsuche ist etwas sehr Individuelles. Individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Präferenzen führen zu einem sehr individuellen Verhalten. Lässt sich trotzdem herausfinden, wie Jobsuchende ticken? Die eine Jobsuchende oder den einen Jobsuchenden gibt es nicht. Aus individuellem Verhalten lassen sich allerdings Muster ablesen. Was verbindet uns Europäer*innen bei der Jobsuche? Und wo unterscheiden wir uns voneinander? Um uns der Beantwortung dieser Frage zu nähern, haben wir in dieser Analyse untersucht, wann in den verschiedenen Ländern nach Jobs gesucht wird und welche Endgeräte für die Suche genutzt werden. Hierfür können wir die Indeed-Datenwelt nutzen. Jeden Monat suchen viele Millionen Menschen auf Indeed in den 21 betrachteten europäischen Ländern nach Jobs: in Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, Rumänien, Tschechien und Ungarn. Wir haben alle Suchanfragen dieser Länder für die Zeit von April 2018 bis März 2019 ausgewertet.
Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:
- Europa: Wir Europäer*innen gleichen uns sehr darin, wann wir nach einem Job suchen. Wir unterscheiden uns hingegen sehr stark darin, welches Endgerät wir für die Jobsuche nutzen.
- Unternehmen tun gut daran, neue Jobs Anfang der Woche zu veröffentlichen, da sie dann die meisten Jobsuchenden erreichen.
- Es wird während der Arbeitszeit nach einem neuen Job gesucht.
- Jobsuche in der Bahn und auf der Couch: Auf dem Weg zur Arbeit und in den Abendstunden dominiert die Jobsuche über Mobilgeräte.
Montag ist überall Jobsuche-Tag
Montag und Dienstag sind die beliebtesten Tage für die Jobsuche. Im Laufe der Woche nehmen die Suchen ab. Am Wochenende, insbesondere am Samstag, suchen die wenigsten Menschen nach Jobs.
Ein Vergleich zwischen den Ländern zeigt, dass die europäischen Jobsuchenden alle demselben Muster folgen: Während der Arbeitswoche, gerade nach dem erholsamen Wochenende, ist das Bedürfnis nach einem neuen Job besonders groß. Die Luxemburger*innen sind montags am fleißigsten bei der Jobsuche. Bei den Deutschen steht sowohl montags als auch dienstags die Jobsuche ganz oben auf der Agenda. In den Niederlanden ist es erst der Dienstag.
Am Wochenende stehen andere Aktivitäten im Mittelpunkt. Schweizer*innen und Luxemburger*innen lassen es samstags am ruhigsten angehen und verschwenden keinen Gedanken an die Arbeitssuche, während die österreichischen Nachbarn zusammen mit den Italiener*innen und Französ*innen samstags noch am ehesten auf der Jobsuche sind. Sonntags sind die Deutschen und Schwed*innen noch am fleißigsten bei der Jobsuche. In Italien und Frankreich wird dafür sonntags am seltensten gesucht.
Jobsuche während der Arbeitszeit
Morgens, wenn der Handy-Wecker klingelt, beim Frühstück oder spätestens auf dem Weg zur Arbeit beginnt die Jobsuche. Die meisten Jobinteressenten suchen allerdings während der Arbeitszeit nach einem neuen Job. Das heißt, zwischen 10 Uhr morgens und den späten Nachmittagsstunden ist die Hoch-Zeit bei der Jobsuche. Auf dem Nachhauseweg flacht die Aktivität wieder ab, um dann am späteren Abend wieder aufgenommen zu werden.
Bei der Frage, an welchen Wochentagen die Jobsuche am beliebtesten ist, waren sich die europäischen Nachbarn ziemlich einig. Bei der Tageszeit gibt es hingegen einige länderspezifische Unterschiede: Spanier*innen sind nachts noch länger mit der Suche nach Jobs beschäftigt, starten aber auch spät in den Tag. Die Österreicher sind früh aktiv bei der Jobsuche. Italiener*innen, Französ*innen und Spanier*innen suchen abends weniger nach Jobs, was auch daran liegen kann, dass in diesen Ländern oft später zu Abend gegesen wird.
In den meisten Ländern lässt sich zur Mittagszeit ein ähnliches Jobsuchverhalten beobachten: Die meisten Jobsuchen gibt es bis kurz vor der Mittagszeit, gefolgt von einem starken Rückgang für die Mittagspause oder Siesta – danach nehmen sie wieder Fahrt auf. Die Spanier*innen scheinen später in die Pause zu gehen. Es wird klar: Wer gerade in der Pause vom Arbeiten ist, der macht auch eher Pause von der Jobsuche.
Das Handy ist immer dabei … auch für die Jobsuche
Ein Blick darauf, welche Endgeräte bei der Jobsuche genutzt werden, erzählt uns noch mehr darüber, in welchen Situationen gesucht wird. Mobile Jobsuchen finden dann statt, wenn kein Desktop-PC verfügbar ist. Das ist der Fall, wenn Personen noch nicht oder nicht mehr auf der Arbeit sind – oder aber, wenn der Beruf es mit sich bringt, dass man nicht die ganze Zeit an einem Schreibtisch sitzt. Zuhause hängt es hingegen vermutlich eher von den Präferenzen der Nutzung ab: Surft man lieber an PC oder Laptop beziehungsweise mit Handy oder Tablet? Zwischen den Ländern gibt es klare Unterschiede bei der mobilen Jobsuche: Im ersten Quartal 2019 lag Spanien mit einem Anteil von 75,7 % von mobilen Suchen auf Platz 1. Deutschland erreicht 64,6 % mobile Jobsuchen und liegt damit im Mittelfeld. In Luxemburg wurden mit 54,2 % am seltensten Mobilgeräte für die Jobsuche genutzt. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, wie viele Personen bei ihrer täglichen Arbeit am Schreibtisch sitzen und damit vor einem PC oder Laptop. Eurostat-Daten zu akademischen Berufen zeigen einen höheren Anteil dieser Berufe in Luxemburg als in Spanien, wobei Deutschland zwischen diesen beiden Ländern liegt. Wann die Deutschen mobil nach Jobs suchen und wann sie den PC oder Laptop dafür nutzen, haben wir in einer gesonderten Analyse detailliert betrachtet.
Bei Europa denkt man meist an die Europäische Union und die Vielzahl von unterschiedlichen Ländern, die ein Teil vom Ganzen sind. In der Regel werden bei der Analyse dieses Konstrukts die Unterschiede in den Vordergrund gestellt. So unterscheiden sich die europäischen Arbeitsmärkte in vielen Bereichen. Unsere Analysen haben nun aber aufgedeckt, dass es bei all den Unterschieden auch große Gemeinsamkeiten zwischen den Europäer*innen gibt: nämlich, wenn es darum geht, an welchen Wochentagen und zu welchen Uhrzeiten nach Jobs gesucht wird: Die Jobsuche findet durchweg am häufigsten während der Arbeitszeit statt. Bei all der Gemeinsamkeit unterscheiden wir Europäer*innen uns allerdings dahingehend, ob wir vor dem PC oder Laptop sitzen oder doch Tablet oder Handy für die Jobsuche nutzen.
Methodische Hinweise
In unseren Analysen haben wir das Jobsuchverhalten in der Europäischen Union sowie Norwegen und der Schweiz untersucht. Da es für die Analysen entscheidend ist, dass in einem Land eine eigene Indeed Webseite verfügbar ist, was weltweit auf über 60 Länder zutrifft, konnten nicht alle EU-28 Länder in die Untersuchung aufgenommen werden. Wir haben Daten aus 21 europäischen Ländern für unsere Analysen genutzt: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechien und Ungarn.
Wie im deutschen Sprachgebrauch meist üblich, umfasst “Großbritannien” das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland.
Wir haben die Suchanfragen auf Stundenbasis aggregiert. Für die Interpretation bedeutet das: Eine Suchanfrage, die um 11:55 Uhr getätigt wird, zählt zu 11 Uhr und wird in den Abbildungen entsprechend abgetragen.