• Auch wenn die Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien zugenommen hat, bleibt Deutschland auf dem letzten Platz. 
  • Tendenziell werden Gehälter für besser bezahlte Jobs seltener offengelegt.
  • Gehaltstransparenz bietet Arbeitgebenden die Möglichkeit, Gehaltsunterschiede zu verringern und gleichzeitig den Einstellungsprozess fair zu gestalten. 

„Über Gehalt spricht man nicht“ – das ist noch immer die Devise vieler Unternehmen in Deutschland. Dabei nimmt die Gehaltstransparenz in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes einen wachsenden Stellenwert im Recruiting ein. Zwar ist der Anteil von Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe zwischen Januar 2019 und März 2023 in den vier großen europäischen Volkswirtschaften (Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden) gestiegen. Allerdings hinkt Deutschland der Entwicklung schon seit Jahren hinterher. Spätestens wenn das Gebot der Gehaltstransparenz demnächst in die europäische Gesetzgebung einfließt, wird dies Auswirkungen auf die Unternehmen in Deutschland und den anderen EU-Ländern haben. 

Die Pandemie hat dem bestehenden Trend in allen vier Ländern Auftrieb verliehen. In Deutschland stieg die Anzahl der Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe von rund 2 % im Januar 2019 auf 20 % im März 2023. Im selben Zeitraum verdoppelten sich die Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe nahezu in Frankreich und den Niederlanden. Beim Spitzenreiter Großbritannien wuchs die Zahl der Stellenanzeigen, in denen das Gehalt genannt wurde, von 58 % auf 72 % aller Stellenanzeigen. Damit wird bereits in drei von vier britischen Stellenanzeigen das Gehalt genannt.

Gehaltstransparenz wird in diesen Ländern ganz unterschiedlich umgesetzt. Dabei spielen kulturelle Aspekte beim Thema Gehalt und Geld eine Rolle, sodass einige Länder dem Konzept sehr viel offener gegenüberstehen als andere. Das hohe Transparenzniveau in Großbritannien steht im krassen Gegensatz zu Deutschland, das nach wie vor hinter den anderen Ländern zurückliegt. Dies deutet daraufhin, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Gehaltstransparenz in Deutschland zu verbessern. Frankreich und die Niederlande besetzen das Mittelfeld: Dort enthalten etwa die Hälfte der Stellenanzeigen eine Gehaltsangabe. 

Gehaltstransparenz variiert nach Berufskategorien

Auch zwischen den einzelnen Berufskategorien sind große Unterschiede festzustellen. In Deutschland sind Jobs im Chemieingenieurwesen mit 38 % Gehaltstransparenz führend, gleichauf mit Lagerhaltung sowie Produktion & Fertigung (jeweils 38 %). In Frankreich und den Niederlanden waren die Recruiter im Bereich Sozialpflege, Kinder-, Jugend-, Familienhilfe am offensten beim Thema Gehalt: 79 % der Stellenanzeigen enthielten Gehaltsangaben. Auch in Großbritannien führt diese Berufskategorie die Liste an – mit einer beeindruckenden Transparenzrate von 95 %. Andere Berufskategorien mit hoher Gehaltstransparenz sind Bildung & Erziehung in Frankreich (66 %) sowie Reinigungsdienste in den Niederlanden (73 %) und Großbritannien (91 %).

Im Gegensatz dazu weisen einige Berufskategorien eine viel geringere Gehaltstransparenz in den Stellenausschreibungen auf. In Deutschland enthalten 4 % der Stellenanzeigen für Arztberufe Gehälter – hier halten sich die Arbeitgebenden trotz chronischer Engpässe bedeckt. Auch im deutschen Bank- & Finanzwesen (5 %) sowie bei Data Analytics & Informationsmanagement (unter 7 %) wird kaum mit dem Gehalt geworben. In Frankreich hat der Bereich Medien & Kommunikation mit 28 % die niedrigste Transparenzquote. In den Niederlanden liegt die Transparenz für Jobs im Einzelhandel bei knapp 29 %. Und in Großbritannien hat der Bereich Data Analytics & Informationsmanagement den niedrigsten Anteil an Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe (allerdings bei 50 %). Andere Berufskategorien mit geringer Transparenz sind das Bank- & Finanzwesen in Frankreich (33 %), Chemieingenieurwesen in den Niederlanden (31 %) und Softwareentwicklung in Großbritannien (52 %).

Die Tabelle mit dem Titel “Berufsgruppen mit der höchsten bzw. niedrigsten Gehaltstransparenz in Deutschland” zeigt Daten von Indeed im März 2023.
Die Tabelle mit dem Titel “Berufsgruppen mit der höchsten bzw. niedrigsten Gehaltstransparenz in Deutschland” zeigt Daten von Indeed im März 2023.

Einige Berufe mit deutlichem Anstieg der Gehaltstransparenz in den letzten 12 Monaten

Zu den Berufskategorien mit dem höchsten Anstieg der Gehaltstransparenz in Deutschland gehören Chemieingenieurwesen sowie Maschinenbau, Buchhaltung, Büro & Verwaltung, wo sich der Anteil der Stellenausschreibungen mit Gehaltsangabe (ausgehend von einer relativ niedrigen Basis) mehr als verdoppelt hat. Weitere bemerkenswerte Zuwächse sind in den Bereichen Personalwesen, Projektmanagement, dem Rechtswesen sowie Arztberufen zu verzeichnen.

Die Abbildung mit dem Titel “Berufsgruppen mit großer Zunahme der Gehaltstransparenz in den letzten 12 Monaten in Deutschland” bezieht sich auf Stellenanzeigen auf Indeed und vergleicht den März 2023 mit dem Vorjahr.
Die Abbildung mit dem Titel “Berufsgruppen mit großer Zunahme der Gehaltstransparenz in den letzten 12 Monaten in Deutschland” bezieht sich auf Stellenanzeigen auf Indeed und vergleicht den März 2023 mit dem Vorjahr.

Tendenziell geringere Gehaltstransparenz bei hoch bezahlten Jobs

Gehaltstransparenz kann auch ein wichtiger Hebel sein, um Gehaltsunterschiede zwischen  Bewerber*innen bzw. Mitarbeitenden zu verringern und die Chancengleichheit zu fördern. Trotz der Verbesserungen in allen untersuchten Ländern und Berufen ist die Gehaltstransparenz bei hoch bezahlten Stellen in allen vier europäischen Ländern tendenziell geringer. In Deutschland enthielten im März 2023 knapp 11 % der Anzeigen für hoch bezahlte Stellen Gehaltsinformationen, verglichen mit 24 % der Anzeigen für niedrig bezahlte Stellen. Auch in Frankreich ist der Unterschied bemerkenswert: Knapp 55 % der Anzeigen für niedrig bezahlte Stellen gegenüber 37 % der Anzeigen für hoch bezahlte Stellen. Die Pandemie hat diese Unterschiede vergrößert, wahrscheinlich weil in den schlechter bezahlten Berufen sowohl der Arbeitskräftemangel sich am meisten verschärft hat als auch die Gehälter dort am stärksten gestiegen sind.

Die relativ geringe Transparenz bei hoch bezahlten Stellen ist nach wie vor problematisch. Klare Preissignale ermöglichen es sowohl Jobsuchenden als auch Arbeitgebenden, informierte Entscheidungen zu treffen. Im Gegensatz dazu können bei Verhandlungen hinter verschlossenen Türen bestimmte Bewerbungen bevorzugt werden – möglicherweise zum Nachteil von Frauen und Minderheiten.

Die Abbildung mit dem Titel “Gehaltstransparenz bei niedrig bezahlten Jobs ist höher” vergleicht den Anteil von Gehaltsangaben in Stellenanzeigen auf Indeed für die Länder Deutschland, Frankreich, Niederlande und UK. Dabei werden Berufsgruppen mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen für die Zeit von Januar 2019 bis März 2023 verglichen.
Die Abbildung mit dem Titel “Gehaltstransparenz bei niedrig bezahlten Jobs ist höher” vergleicht den Anteil von Gehaltsangaben in Stellenanzeigen auf Indeed für die Länder Deutschland, Frankreich, Niederlande und UK. Dabei werden Berufsgruppen mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen für die Zeit von Januar 2019 bis März 2023 verglichen.

Fazit

Die Gehaltstransparenz wird möglicherweise genau wie die Remote-Arbeit zu einem Markenzeichen des Wandels der Arbeit, der sich in den letzten drei Jahren vollzogen hat. Dieser Wandel könnte nicht nur ein inklusives Arbeitsumfeld fördern, sondern auch das Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Mitarbeitenden stärken – und das ist für den langfristigen Erfolg eines jeden Unternehmens unerlässlich. 

In Deutschland ist beim Thema Gehaltstransparenz noch viel Luft nach oben. Arbeitgebende können diese Chance nutzen und als Pioniere den Trend anführen, statt sich von den kommenden Gesetzen treiben zu lassen. Knapp jeder zweite Beschäftigte (49%) in Deutschland arbeitet in einem tarifgebundenen Betrieb. Sicherlich lässt sich argumentieren, dass hier eine Recherche der Jobsuchenden nach dem passenden Tarifvertrag möglich ist. So wirklich transparent ist das Gehalt aber erst, wenn die Angabe in der Stellenanzeige selbst erfolgt. Wer hierzulande das Gehalt in der Stellenanzeige aufführt, hebt sich positiv von der Masse ab. Letztlich schafft dies auch Klarheit für beide Seiten und strafft den Recruiting-Prozess. Mehr Mut zu Offenheit bei den Gehältern könnte sich also gleich in mehrfacher Hinsicht für Unternehmen lohnen.

Methodik:

Wir berechnen den monatlichen Anteil der Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen, indem wir die Anzahl der Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe durch die Gesamtzahl der Stellenanzeigen in einem bestimmten Monat teilen. Die Gehaltsangaben stammen aus Stellenanzeigen, die auf Indeed.com veröffentlicht wurden. Gehälter mit täglicher oder wöchentlicher Auszahlung sowie Berufsgruppen, die im Januar 2023 weniger als 100 Stellenanzeigen in einem bestimmten Land aufwiesen, wurden von der Analyse ausgeschlossen. Die Gehaltsgruppen werden auf der Grundlage des Mediangehalts jeder Berufsgruppe im Jahr 2019 zugewiesen und im Zeitverlauf konstant gehalten. Bei der Gehaltsgruppe “niedriges Einkommen” handelt es sich um das untere Terzil der Verteilung, bei der Gehaltsgruppe “mittleres Einkommen” um das mittlere Terzil und bei der Gehaltsgruppe “hohes Einkommen” um das dritte Terzil.