Die wichtigsten Ergebnisse:
- Die Gehaltstransparenz hat in den vergangenen Jahren in Europa zugenommen, stagnierte jedoch in letzter Zeit.
- Spitzenreiter ist Großbritannien: Mehr als zwei von drei Stellenanzeigen enthielten Ende 2024 Informationen zum Gehalt. In Deutschland und Italien ist das bei weniger als jeder fünften Stellenanzeige der Fall.
- Länderübergreifend sind Stellen in den Bereichen Reinigungsdienste sowie Transportwesen am transparentesten. Wirtschaftsingenieurwesen und Softwareentwicklung haben europaweit den geringsten Anteil an Stellenausschreibungen mit Gehaltsangaben.
- Niedriglohnjobs sind generell transparenter als Stellen im Hochlohnbereich.
Gehaltstransparenz ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Lohngerechtigkeit, da sie Ungleichbehandlung aufgrund von Herkunft, Geschlecht und anderen Unterscheidungsmerkmalen aufdeckt und ihr entgegenwirkt. In den vergangenen sechs Jahren wurden in Stellenausschreibungen in ganz Europa zunehmend Gehaltsangaben veröffentlicht. Trotz unterschiedlicher Startbedingungen gab es in jedem der sechs europäischen Länder, die kürzlich vom Hiring Lab analysiert wurden, spürbare Fortschritte. Dennoch stagniert der Anteil transparenter Stellenanzeigen in jüngster Zeit, und es bestehen aktuell, rund eineinhalb Jahre bevor in EU-Mitgliedsstaaten strengere Regeln zur Gehaltstransparenz anstehen, noch erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern.
Tatsächlich werden immer mehr Gesetze zur Gehaltstransparenz eingeführt und umgesetzt. Die 2023 verabschiedete EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz verpflichtet Arbeitgebende in der EU spätestens ab Juni 2026 das Gehalt bereits zu Beginn des Einstellungsverfahrens offenzulegen – entweder direkt in der Stellenausschreibung oder spätestens vor dem Vorstellungsgespräch. Die Mitgliedstaaten müssen diese Richtlinie bis Juni 2026 in nationales Recht umsetzen, was bisher jedoch noch kein EU-Mitgliedstaat getan hat. Daher ist die Vorab-Offenlegung des Gehalts in der gesamten EU nach wie vor freiwillig (außer in Österreich, wo bereits strengere Transparenzregeln gelten) und wird in Europa sehr unterschiedlich gehandhabt. Ende 2024 enthielt nur etwa jede sechste Stellenausschreibung in Deutschland Gehaltsinformationen, verglichen mit mehr als zwei Dritteln der Ausschreibungen in Großbritannien.
Dabei birgt es für Arbeitgebende einige Vorteile, klar und frühzeitig über Gehälter zu informieren: Der Einstellungsprozess wird gestrafft, da der Zeitaufwand für Gehaltsverhandlungen sinkt. Gehaltstransparenz kann zudem helfen, den Bewerberpool zu vergrößern, insbesondere in wettbewerbsintensiven Arbeitsmärkten. Darüber hinaus fördert Offenheit bei Gehaltsangaben das Vertrauen, stärkt das Employer Branding und gibt Unternehmen die Chance, proaktiv gegen Gehaltsunterschiede vorzugehen und so rechtliche und Reputationsrisiken zu senken. Sowohl für Mitarbeitende als auch für Jobsuchende gilt: Wer marktgerechte Gehaltsspannen kennt, entwickelt realistische Erwartungen und ist in einer gestärkten Verhandlungsposition. Asymmetrische Information zwischen Arbeitgebenden und Kandidat*innen wird verringert. Dies wiederum fördert gerechtere Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und kann die Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung erhöhen.
Gehaltstransparenz in Europa macht Fortschritte
Unter den sechs europäischen Ländern, die in dieser Analyse berücksichtigt wurden, war die Gehaltstransparenz Ende 2024 in Großbritannien am höchsten: dort enthielten 69,7 % der Stellenausschreibungen auf Indeed Gehaltsangaben. Deutschland (15,8 %) trug eindeutig die rote Laterne, knapp hinter Italien (19,3 %). In Irland, Frankreich und den Niederlanden enthielten Ende letzten Jahres etwa 40 % bis knapp über 50 % der Stellenausschreibungen Gehaltsangaben – ein erheblicher Schritt nach vorn, aber Gehaltstransparenz ist auch hier noch nicht die Norm.
Darüber hinaus sind die zwischen 2019 und 2023 in ganz Europa erzielten Fortschritte seither ins Stocken geraten. Das Teilen von Gehaltsinformationen scheint vorerst keine Priorität mehr zu haben. Diese Stagnation zeigt: Die frühere Dynamik – möglicherweise befeuert durch intensive Debatten über Transparenz und den Kampf um Talente – hat nachgelassen. Da die EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz voraussichtlich 2026 ihre Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten, ob die bevorstehenden Gesetzesänderungen den Motor wieder in Gang bringen oder ob Betriebe hier weiter auf der Bremse stehen werden.
Arbeitgebende haben jedoch auch andere Möglichkeiten, Jobsuchende über Gehälter zu informieren, als einen Betrag oder eine Gehaltsspanne in der Stellenanzeige anzugeben. In Deutschland, den Niederlanden und Italien beispielsweise ist es verbreitete Praxis, in Stellenausschreibungen auf die entsprechenden Tarifverträge zu verweisen. Bezieht man Stellenausschreibungen mit Verweis auf einen Tarifvertrag in unsere Analyse mit ein, steigt der Anteil der nominell transparenten Stellenausschreibungen in den Niederlanden auf 49,7 %, in Deutschland auf 23,7 % und in Italien auf 23,3 %. Dies wirkt sich also nur geringfügig auf die Rangfolge aus.
Hohe Gehälter bleiben geheim
Gehaltsangaben sind je nach Berufsgruppe unterschiedlich verbreitet. Am transparentesten sind in allen sechs Ländern die Reinigungsdienste: Der Anteil von Stellenanzeigen mit Gehaltsangaben variiert zwischen 20 % in Italien und 92 % in Großbritannien (Deutschland: 41 %). Weitere Kategorien mit einem relativ hohen Anteil an Stellenausschreibungen mit Gehaltsangaben sind das Transportwesen (30 % in Italien, 37 % in Deutschland und 84 % in Großbritannien), Bildung & Erziehung (zwischen 22 % in Deutschland und 85 % in Großbritannien) sowie Lebensmittel & Gastronomie (zwischen 17 % in Deutschland und 78 % in Großbritannien). Am wenigsten transparent waren Stellenanzeigen in den Bereichen Wirtschaftsingenieurwesen, Softwareentwicklung, Data Analytics & Informationsmanagement, Projektmanagement und Rechtswesen. In Italien, Deutschland und Irland enthielten weniger als 10 % der Stellenausschreibungen in diesen Sektoren Gehaltsangaben – mit Ausnahme des Bereichs Projektmanagement in Irland, wo der Anteil mit 13 % etwas höher lag. In den anderen drei Ländern lag der Anteil der Stellenausschreibungen mit Gehaltsangaben in denselben Kategorien Ende 2024 bei mindestens einem Viertel.
Diese Beobachtung deutet auf ein breiteres Phänomen hin: Betrachtet man die Gehaltstransparenz nach Lohnniveau, so zeigt sich, dass Arbeitgebende in höherbezahlten Berufsgruppen Gehälter eher seltener offenlegen. Dieses Muster zeigt sich in fast allen hier betrachteten Ländern mit Ausnahme der Niederlande.
Warum sind Arbeitgebende eher zugeknöpft, was Gehaltsangaben für höher bezahlte Stellen betrifft? Diese werden wohl vor allem aus Wettbewerbsgründen zurückgehalten, weil das Gehalt üblicherweise nach vorhandener Qualifikation und Erfahrung ausgehandelt wird. In der Tat sind die Gehälter für hochrangige und komplexe Aufgaben oft schwieriger zu bewerten und lassen mehr Spielraum für Verhandlungen zu. Trotzdem lässt die Intransparenz der Gehälter in diesen Sektoren Jobsuchende im Unklaren: Vor der Bewerbung können sie so nur schwer beurteilen, ob die Stelle zu ihren Gehaltsvorstellungen passt.

Gleichzeitig zeigen Untersuchungen: Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist tendenziell höher in hochbezahlten akademischen Berufen sowie in Berufen, die überwiegend von Männern ausgeübt werden. In Großbritannien liegt der Median des geschlechtsspezifischen Lohngefälles bei vollzeitbeschäftigten Führungskräften, Manager*innen und leitenden Angestellten sowie bei Berufen mit mittlerem Qualifikationsniveau über dem nationalen Durchschnitt. Das unbereinigte geschlechtsspezifische Lohngefälle ist in Deutschland am höchsten bei Mitarbeitenden, die komplexe spezialisierte und hochkomplexe Expert*innen-Tätigkeiten ausüben (ohne Berücksichtigung der Tendenz einiger Arbeitnehmer*innen, sich selbst für bestimmte Branchen zu entscheiden). In Frankreich ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle auf der Basis von Vollzeitäquivalenten bei den Führungskräften („cadres“) am größten und nimmt mit dem Alter der Mitarbeitenden zu.
Fazit
Ein Hauptziel der Transparenzgesetzgebungen ist das Schließen von Lohnlücken zwischen Männern und Frauen. Gehaltstransparenz kann die Wettbewerbsbedingungen für unterrepräsentierte Gruppen verbessern – ein verbesserter Informationsstand ist hilfreich bei Gehaltsverhandlungen. Last but not least: Wenn immer mehr Länder Transparenzmaßnahmen umsetzen, könnte die tief verwurzelte Geheimniskrämerei bei Löhnen und Lohnverhandlungen in Hochlohnbranchen ins Wanken geraten. Einige Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um Lohnungleichheit zu beseitigen und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Viele dieser Initiativen beruhen jedoch nach wie vor auf Freiwilligkeit – es fehlen Durchsetzungsmechanismen und/oder es wird keine vollständige Offenlegung der Gehälter vorab vorgeschrieben. Es bleibt abzuwarten, ob die EU-Richtlinie mehr Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen bringen wird. Wir werden diesen Trend weiterhin im Auge behalten.
Methodik
Wir berechnen den Anteil der Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen, indem wir die Anzahl der Stellenanzeigen mit einem Gehalt durch die Gesamtzahl der Anzeigen in einem bestimmten Monat dividieren. Die Gehaltsinformationen werden aus den auf Indeed veröffentlichten Stellenanzeigen extrahiert.
Gehälter mit täglicher oder wöchentlicher Auszahlung sowie Berufsgruppen, die im Dezember 2024 weniger als 100 Stellenanzeigen in einem bestimmten Land aufwiesen, wurden von der Analyse ausgeschlossen.
Die Lohnstufen werden auf der Grundlage des Mediangehalts jeder Berufsgruppe im Jahr 2023 zugewiesen und im Laufe der Zeit konstant gehalten. Die „Niedriglohn“-Gehaltsgruppe ist das untere Terzil der Verteilung, die „Mittellohn“-Gruppe ist das mittlere Terzil und die „Hochlohn“-Gruppe ist das dritte Terzil.